Qualitätskriterien der Systemischen Gesellschaft zur Praxis der Aufsuchenden Familientherapie (AFT)

Die Mitgliederversammlung der Systemischen Gesellschaft hat am 1. September 2010 in Marburg die folgenden Qualitätskriterien zur Praxis der Aufsuchenden Familientherapie (AFT) beschlossen:

Die Aufsuchende Familientherapie (AFT) ist ein systemisch-therapeutisches Konzept.

AFT soll Familien erreichen, die mit herkömmlichen therapeutischen Jugendhilfeangeboten nicht oder nicht mehr erreichbar sind. Merkmale bei diesen Familien sind/können sein: Resignation, Motivationsmangel, beschränkte Ressourcen zur Konfliktlösung, wiederkehrende Krisen, Erfolglosigkeit bei den eigenen Bewältigungsstrategien, häufige Grenzüberschreitungen (diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

Es ist Ziel der Aufsuchenden Familientherapie, über neue/funktionale Handlungsmuster und alternative Handlungsmöglichkeiten Ressourcen freizulegen und damit der Familie die Möglichkeit für Veränderungen zu schaffen.

Neben den in den helfenden Berufen inzwischen selbstverständlichen Standards wie Einhaltung des Datenschutzes, regelmäßige Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen etc. sind folgende Qualitätskriterien Handlungsgrundlage für den Einsatz von AFT. Sie entsprechen den von der DGSF am 11.9.2009 beschlossenen Qualitätskriterien zur Praxis der AFT.

Die Qualitätskriterien sind im Einzelnen:

1. Aufsuchend

Die Aufsuchende Familientherapie ist ein niederschwelliges therapeutisches Angebot. Dazu gehört unter anderem, dass mit der Familie zu Hause unter Einbeziehung des Umfeldes gearbeitet wird. Dieses Sich-Einlassen auf das Lebensumfeld der Familie vermittelt dieser ein Gefühl von Sicherheit, die eine Grundvoraussetzung für eine Erfolg versprechende Arbeit darstellt.

2. Co-Therapie

Die Aufsuchende Familientherapie arbeitet mit zwei TherapeutInnen. Die Co-therapeutische Arbeitsweise ermöglicht das Reflecting-Team, als wichtigste Methode von

AFT, und andere therapeutische Methoden zur Vermeidung von möglichen „Sogwirkung“ durch die Familie.

Die kontinuierliche Co-therapeutische Arbeit und deren Absicherung (Urlaub, Krankheit) erfordert, dass ein Therapeutenpaar in einem Arbeitsteam eingebunden ist, in dem mindestens drei TherapeutInnen tätig sind.

3. Dauer der AFT

In der Praxis hat sich ein Zeitraum von 26 bis 52 Wochen bewährt. Eigenverantwortung und Ressourcen der Familie werden durch die zeitliche Begrenzung erhalten und kontraproduktive Gewöhnungsprozesse werden verhindert.

Die zeitliche Begrenzung schafft Verbindlichkeiten bei der Familie wie bei den TherapeutInnen.

4. Richtgröße des Zeitbudgets

Zum Setting von AFT gehören in der Regel 26 Familientherapiesitzungen.

Eine familientherapeutische Einheit umfasst 5,5 Zeitstunden pro Fachkraft pro Woche und schließt alle notwendigen personen- und nicht personenbezogenen Tätigkeiten (z. B. Vor- und Nachbereitung, Austausch mit Co-TherapeutInnen, Supervision, notwendige Mitarbeiterbesprechungen etc.) ein. Diese Familientherapieeinheiten beinhalten keine Fahrtzeiten.

5. Qualifikation

AFT-MitarbeiterInnen verfügen neben einem psychosozialen Hoch- bzw. Fachhochschulabschluss über eine mindestens 3-jährige familientherapeutische/systemische Weiterbildung an einem SG- bzw. DGSF-anerkannten Institut. Die MitarbeiterInnen sind durch SG/DGSF zum Systemischen (Familien-) Therapeuten zertifiziert.

6. Supervision

Regelmäßige Supervision ist ein unabdingbarer Bestandteil von AFT. Sie sollte im Rahmen der Familientherapieeinheit mit mindestens 5-prozentigem Zeitanteil abgedeckt sein

7. Vergütung

Die Vergütung erfolgt auf der Grundlage einer Leistungsvereinbarung, die ein wirtschaftliches Arbeiten der Träger der AFT ermöglicht. Sinnvoll ist z.B. eine Orientierung an den geltenden DBSH-Empfehlungen für Fachleistungsstunden.

8. Dokumentation und Evaluation

Bei jedem AFT-Fall erfolgt eine Prozessdokumentation und Evaluation. Die Wirksamkeit wird in mindestens einem Katamnesegespräch überprüft.